Kampagne: Solidarität gewinnt!

Solidaritaet gewinnt!

28.05.2020 Die IG Metall Baden-Württemberg hat die Kampagne Solidarität gewinnt! ins Leben gerufen

Für uns ist der entscheidende Gradmesser im Umgang mit den Pandemiefolgen die Frage, wie unsere Kolleginnen und Kollegen den Arbeitsalltag in den Betrieben erleben. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass Arbeitgeberverbände und nicht wenige ihrer Mitglieder die Krise als Rückenwind für den Abbau von Beschäftigung, das Schleifen von Arbeitnehmerrechten, das Unterlaufen von Tarifverträgen und für die Missachtung von Mitbestimmung begreifen.

Für uns steht fest: Gemeinsam durch die Krise heißt nicht, dass die Beschäftigten in der Industrie ihre Jobs verlieren und Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Dagegen setzen wir uns entschieden zur Wehr. Wir, die IG Metall Baden-Württemberg, kämpfen für einen besseren Weg, der sich an den folgenden 10 Punkten orientiert:

1. Die Sicherung der Beschäftigung hat höchste Priorität. Allen Ansinnen durch Personalabbau die Krise bewältigen zu wollen, erteilen wir nicht nur eine klare Absage, sondern werden alle gewerkschaftliche Kraft mobilisieren, mit allen Beschäftigten (einschließlich Leiharbeiter/innen und befristet Beschäftigten) durch diese Krise zu kommen. Wer uns dabei unterstützt, hat uns als Verbündete. Wir haben umfangreiche Möglichkeiten, Überkapazitäten durch Kurzarbeit und andere Maßnahmen auch für längere Zeiträume zu kompensieren. Vor allem durch unseren gewerkschaftlichen Einsatz wurden die Unternehmen schon jetzt durch die komplette Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge deutlich entlastet.

2. Es ist völlig unstrittig, dass die Folgen des "Shut-Downs" in vielen Fällen zu einer ernsthaften, betriebswirtschaftlichen Herausforderung werden. Dafür gute Lösungen zu finden, z.B. im Rahmen von belastbaren Zukunftsvereinbarungen, ist auch im Interesse der IG Metall. Die bisherigen Maßnahmen, wie z.B. Kurzarbeit, bedeutet - trotz unserer Aufzahlungsregelungen - einen Einkommensverlust. Die Absicherung der Einkommen hat für den Erhalt des Lebensstandards der Beschäftigten aber eine hohe Bedeutung. In keinem Fall werden wir daher Tarifflucht, Versuche der einseitigen Absenkung von Standards, die Beschneidung von Mitbestimmungsrechten oder Einschränkungen für
Gewerkschaftsarbeit akzeptieren.

3. Ohne Gesundheit ist alles nichts. Deshalb kann es beim Gesundheitsschutz der Beschäftigten keine Kompromisse geben. Soweit so richtig. Aber: Es muss in allen Bereichen der Grundsatz gelten, dass die Arbeitsorganisation und strukturelle Maßnahmen Vorrang vor persönlicher Schutzausrüstung wie Masken oder Gesichtsschilder haben müssen. Gerade in den Sommermonaten wird es für viele Beschäftigte eine Zumutung, bei 35 Grad plus anstrengende körperliche Arbeit unter Schutzmasken zu verrichten. Es kann nicht sein, dass sich die Arbeitsbedingungen rapide verschlechtern, weil z.B. Masken die billigere Variante sind als die Einhaltung von Abstandsregelungen oder die Entzerrung durch versetzte Arbeitszeiten. Dort wo das nicht anders möglich ist, muss es entsprechende bezahlte Pausen und andere Ausgleichsmaßnahmen geben. Generell gilt: Der Arbeits- und Gesundheitsschutz muss wieder stärker ins Blickfeld der Politik rücken, insbesondere mit dem Ziel einer personell besseren Ausstattung der dafür zuständigen Behörden.

4. Stand heute ist damit zu rechnen, dass aufgrund des eingeschränkten Kita- und Schulbetriebs die Doppelbelastung aus Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung noch über einen längeren Zeitraum außergewöhnlich hoch bleiben wird. Home-Office allein gibt darauf keine hinreichende Antwort, zumal nicht alle Beschäftigtengruppen davon Gebrauch machen können. Wir fordern daher die Arbeitgeber auf, die jüngst im Infektionsschutzgesetz verankerten Freistellungen durch Aufstockungsbeträge zu ergänzen und somit zwingend erforderliche Unterbrechungen ohne hohe finanzielle Einbußen für die Beschäftigten zu ermöglichen. Die Landesregierung muss die Rückkehr zum Regelbetrieb in Kitas und Schulen zügig vorbereiten sowie den Ausbau der digitalen Beschulung entschlossen vorantreiben.

5. Ein schlechter Umgang mit der Krise frisst Zukunftschancen. Besonders betroffen davon sind Auszubildende und (dual) Studierende, die momentan auf dem Arbeitsmarkt unverschuldet nur sehr schlechte Chancen haben. Angriffe auf Übernahmeverpflichtungen sowie die Ausweitung von Befristungen lehnen wir daher genauso entschieden ab wie plumpe Attacken auf Kernnormen des Berufsbildungsgesetzes. Um es deutlich zu sagen: Wer gestern noch über Fachkräftemangel klagte, der kann nur um den Preis der eigenen Glaubwürdigkeit ein solches Verhalten an den Tag legen.

6. Diese Krise betrifft auch gesunde Unternehmen mit tragfähigen Geschäftsmodellen. Deshalb muss die öffentliche Hand dort eingreifen, wo Unternehmen "Corona-bedingt" in eine Schieflage geraten sind. Dabei muss unmissverständlich klar sein: Wer Geld bekommt, hält die Mannschaft an Bord, übernimmt die Auszubildenden, achtet Tarifverträge, zahlt keine Dividenden. Soweit erforderlich können auch direkte Vorgaben mit Blick auf die Geschäftstätigkeit gemacht werden, so dies im öffentlichen Interesse liegt. Der Einsatz des neuen Beteiligungsfonds des Landes Baden-Württemberg ist an die Grundsätze guter Arbeit zu knüpfen, die einer Verschlechterung von Arbeit entgegenwirkt. Unternehmen, die ihr Heil schon bisher in Steueroasen oder anderen Formen der Steuerflucht gesucht haben, dürfen keinen Anspruch auf Unterstützung des Staates bekommen.

7. Das schiere Ausmaß der Corona-Krise erhöht - vielfach verstärkt durch die wirtschaftliche Transformation - sehr real die Bedrohung, dass ganze Regionen schnell in eine dauerhafte ökonomische und soziale Schieflage geraten. Renditegetriebene Entscheidungen (Schließungen, Verlagerungen usw.) bestimmen weitgehend rechenschaftsfrei über die Zukunft von Kommunen. Regionale Struktur- und Wirtschaftsräte müssen - öffentlich gefördert, flächendeckend und unter Beteiligung der Gewerkschaften und Wissenschaft -eine Arena bieten, um lokale Entwicklungsperspektiven ausarbeiten und einfordern zu können. Mit dem Ziel, industrielle Beschäftigung in Produktion und Entwicklung gleichermaßen im Land zu halten.

8. Ein breit aufgestelltes Konjunkturprogramm, welches durch einen kräftigen Impuls private Nachfrage und damit Beschäftigung sichert und den ohnehin notwendigen Strukturwandel in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit anschiebt, ist unerlässlich. Aufgrund der hohen Bedeutung der Automobilindustrie und deren Zulieferbetriebe für unser Land sind Prämien für den Umstieg auf umweltfreundliche Fahrzeuge ein notwendiger Bestandteil davon. Denn ob es einem passt oder nicht: Verharrt die Automobilindustrie dauerhaft in der Krise, bleibt auch der Aufschwung aus.

9. Notwendig ist ein finanziell gut ausgestattetes Investitionspaket für Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen welches die Grundlagen für einen modernen und ökologisch nachhaltigen Staat legt. Eckpunkte sind der Ausbau des ÖPNV entlang neuer Antriebstechnologien (z.B. Wasserstoffbusse) sowie eine umfassende Digitalisierungsstrategie für Schulen und die öffentliche Verwaltung. In der Krise hat sich gezeigt, dass Deutschland mit Blick auf die IT-Anwendungen noch gewaltige Defizite aufweist, die nun beherzt geschlossen werden müssen.

10. Bei aller Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Krise steht bereits heute fest, dass die schlimmsten Verwerfungen nur durch Aufbringung erheblicher Steuermittel abgewendet werden konnten. Die höhere Staatsverschuldung darf nicht dazu führen, dass im nächsten Schritt soziale Standards gesenkt oder Steuern und Abgaben für kleine und mittlere Einkommen erhöht werden. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass große Vermögen und Spitzeneinkommen stärker zur Bewältigung der Krisenfolgen herangezogen werden. Eine Vermögensabgabe kann dabei eine gerechte Lastenverteilung ermöglichen als auch einen Wachstumsimpuls bieten.

Eine gute Zukunft und eine starke IG Metall gehen Hand in Hand. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, ob wir unsere Stärke erhalten und ausbauen. Deshalb werden wir unsere Aktivitäten eng mit der Bindung und Gewinnung von Beschäftigten für die IG Metall sowie deren Beteiligung verknüpfen. Wer in der Krise darauf setzt, in deren Windschatten sozialen Kahlschlag voranzutreiben, der holt sich Ärger ins Haus.
Und muss wissen: Solidarität gewinnt!

Anhang:

Resolution

Resolution

Dateityp: PDF document, version 1.5

Dateigröße: 376.55KB

Download

Letzte Änderung: 29.05.2020